Die sonnenhungrige Passionsblume stammt aus Peru, von wo sie im 16. Jahrhundert ein Mönch mit nach Spanien brachte und ihr in Europa eine neue, kühlere Heimat schuf. Aber wenn die Passionsblume Sonne und viel Zeit hat, dann lässt sie uns nach einer alten Überlieferung das Wunder vom 3. Schöpfungstag erleben, an dem der Weckruf Gottes über die erwachende Erde ging: Und die Erde bringe hervor Gras und Kraut und fruchtbare Bäume.
Passionsblume – Wunder der Blüte
Die Passionsblume offenbart nämlich unseren staunenden Augen, wie nach der Zeitlupe ablaufend, die Entwicklung der Blüte aus der grünen Kapsel bis zum vollendeten doppelten Blütenkranz. Und das innerhalb von 10-12 Minuten.
Den Anfang muss man allerdings mit Geduld erwarten: Plötzlich ein leiser, knisternder Laut – der Böllerschuss bei einer königlichen Geburt -‚ und das erste grüne Kapselblatt sprengt die Hülle der Passionsblume und neigt sich langsam nach hinten. Dann folgt das zweite, dritte, vierte und fünfte Kelchblatt der inneren Reihe, und schon erblickt man den lila Farbenkranz aus schmalen, spitzigen Blütenblättern, dessen kreisförmige Anlage gut erkennbar wird, wenn sich die nächsten 5 Kelchblätter nach rücks werfen. Und nun kommt die Reihe an den 5 Staubbeuteln, sich mit einem saloppen Ruck dem Licht zu neigen, so dass sie aufrecht auf der violetten Blütenrosette stehenbleiben. Die 3 dunklen Narben folgen, und der wunderschöne farbenprächtige Blütenkranz der Passiflora präsentiert sich neugeboren, frisch und rein unseren staunenden Augen. Ein seltenes Naturschauspiel von erhabener Schönheit, ähnlich dem Erwachen und Aufblühen der „Königin der Nacht“.
Die sich im Zeitlupentempo öffnenden Blütenteile der Passionsblume zeigen nach dem Glauben des Volkes die Marterwerkzeuge des Heilands auf Golgatha: der weiße Kelch der Innenblüte bedeutet die Unschuld; der lila Kranz der schmalzackigen Blütenblätter ist die Dornenkrone; die fünf Staubbeutel sind die Wundmale, und die drei Narben symbolisieren die Nägel an Händen und Füßen des Heilands, und der gestielte Fruchtknoten sieht aus wie ein Kelch.
Nur kurz in voller Blüte
Meist schon am Abend oder am nächsten Morgen schließt sich die am frühen Vormittag erschienene Blüte der Passionsblume und stirbt ab. Es lohnt sich aber für den Blumenfreund, auf eine gute Pflege zu achten. Ein heller, sonniger und windgeschützter Standort im Sommer auf dem Balkon (im Winter genügen 10-12 Grad), normales Gießen, 3 Gramm Volldünger je Liter Wasser von März bis August, Einheitserde oder gute humose Erde sind ebenso wichtig wie ein kräftiger Rückschnitt der alten Triebe im Frühjahr. Die Anzucht von Stecklingen ist nach 3-4 Wochen vollzogen, während man die Aussaat am besten im Februar vornimmt.
Ein halbes Jahr lang, (April bis Oktober) erfreut uns die Passionsblume mit ihrer seltsamen Blütenrosette, deren Reinheit und Schönheit beispiellos und alljährlich ein neues Erlebnis ist.
Bild: Gabriela Neumeier, Kurt F. Domnik / pixelio.de